Glück in Dosen, präsentiert von zwei Taggern in ihrer persönlichen Höhle von Lascaux.

Source: Tracks

Ein ganzes Jahr lang haben vierzig Künstler hier ihre Spuren hinterlassen – angespornt von den französischen Sprayern Sowat und Lek.
Mit dieser “wilden Künstlerresidenz“ haben sie ein Graffiti-Kunst-Denkmal erschaffen, und das mitten in Paris. Getauft haben die beiden das kollektive Kunstwerk “Le Mausolée“, also “Mausoleum“.

Das Mausoleum ist eine Hommage an das Underground-Graffiti, eine Kunstform, die bis heute illegal ist und mit saftigen Strafen geahndet wird. Im Gegensatz zu Street-Art-Werken, die inzwischen sogar in Galerien ausgestellt werden, kann man das Mammutprojekt von Sowat und Lek nicht kaufen. Allerdings gibt es ein Buch und einen Film, der während der stundenlangen Arbeit an den Tags und Installationen entstanden ist. Für den Soundtrack konnten die beiden sogar den minimalistischen US-Komponisten Philip Glass gewinnen.

Apôtre + Lek + Sowat

“Lek wollte irgendwann im Dunkeln malen, was ich für eine sehr schlechte Idee hielt. Im Dunkeln an so einem Ort spielt dir dein Gehirn Streiche. Es ist total unheimlich, überall verrostetes Eisen und Wasser. Du trittst irgendwo drauf, weißt nicht, was es ist und überall hängen Spinnweben. Das ist schon sehr speziell. Die Fantasie geht mit dir schon bei Licht durch, im Dunkeln ist es noch schlimmer. Aber letztendlich war die Idee gut, weil wir dadurch das beste Gespür für den Ort bekommen haben.” Sowat

Im Sommer 2010 entdeckt Lek in der Nähe seines Elternhauses den stillgelegten Pariser Supermarkt, als er verfallene Spots zum Bemalen sucht. Und sofort machen sich die Sprayer ans Werk – auch wenn sie, wie dieser Kandidat, gerade zufällig vorbeikommen.

Lek wächst im Norden von Paris auf, da sich sein Vater dort in den Sechzigern als Maurer niederlässt. Das Einmaleins der Sprayer lernt Lek an den Bahndämmen seines Viertels, bevor er sich Installationen und abstrakter Kunst zuwendet. Der Writing-Fan ist außerdem Ko-Autor des 2009 zu diesem Thema erschienenen Buches “Nothing but Letter“.

Sowat hingegen macht gemeinsame Sache mit dem Kollektiv “Da Mental Vaporz”. Der ehemalige Politik-Student und Sohn einer Amerikanerin verdient seine Brötchen als Übersetzer. Doch seine Graffitis aus Fassadenfarbe bleiben immer Sowats große Leidenschaft.

“Es gehört zur Graffitikultur, sich ein Pseudonym zuzulegen. Du hast von vornherein zwei Persönlichkeiten. Ich habe eine Identität unter meinem normalen Namen, mit Freunden, die nichts mit Graffiti zu tun haben, und dann noch die mit Sowat. Ein Sprayer hat grundsätzlich ein zweigeteiltes Gehirn. Einerseits ist unser Projekt illegal, andererseits lassen wir unsere Gesichter filmen. Auch das ist seltsam. Wobei wir nicht das Gefühl haben, dass wir etwas Illegales tun, und deshalb auch offen darüber reden können. Wir wollen uns nicht, wie viele andere Tagger, nur maskiert zeigen, sondern unser Werk offenbaren. Andererseits sind wir froh darüber, im Verborgenen zu agieren. Das ist definitiv schizophren.” Sowat

Mit Unterstützung der Galerie Itinérance haben Lek und Sowat Teile des Mausoleums in einem leer stehenden Pariser Appartement nachgebaut, um zu zeigen, wie die Arbeit eines Graffiti-Archäologen aussieht.

Vor der Invasion der Sprayer verjagen Polizeikräfte die Besetzer des ehemaligen Supermarkts. Zeit, ihr Hab und Gut zusammenzupacken, haben sie nicht, und lassen alles zurück. Lek und Sowat sammeln die Überbleibsel ein und hauchen so den Geistern der vertriebenen Existenzen wieder Leben ein.

Kameramann: Marjory Déjardin
Tonmeister: Bruno Banquy